22.03.2022 – 18.09.2022

Gastspiel: Zwei Augsburger Türmchenuhren von Samuel Haug

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Gastspiel «Zwei Augsburger Türmchenuhren von Samuel Haug», 1620/1635. Leihgabe aus Privatbesitz. Fotos: Michael Lio
Mitte des 16. Jahrhunderts kamen Tischuhren – auch oftmals als Türmchenuhren bezeichnet – in Mode. Sie wurden überwiegend in Nürnberg und Augsburg hergestellt und ihre architektonisch aufgebauten, feuervergoldeten Gehäuse sind meistens reich verziert. Die Werke sind mit Federantrieb und zumeist mit einem Schlagwerk versehen. Sie sind einem Uhrturm der Renaissance nachgebildet und können auf zwei, drei oder allen vier Seiten mit versilberten Zifferblättern mit unterschiedlichen Anzeigen ausgestattet sein.
Neben der Anzeige der Uhrzeit finden sich Zifferblätter für kalendarische oder astronomische Indikationen. Auf den Seiten oder auf der Rückseite sind sogenannte Schlagzifferblätter angebracht: Dank diesen kann man sehen, wie oft die Uhr geschlagen hat und ob Schlag und Uhrzeit noch über- einstimmen. Bis mindestens 1676 wurde die Anzahl Schläge einer Uhr noch durch sogenannte Schlossscheiben gesteuert. Wurde das Schlagwerk einmal versehentlich ausgelöst oder stand es früher still als das Gehwerk, stimmten Schlag und Uhrzeit unmittelbar nicht mehr überein.

Brigitte Vinzens, Konservatorin des Uhrenmuseums Winterthur, stellt den aktuellen Gast mit seiner individuellen Geschichte in der Reihe «Museum am Mittag» am Freitag, 17. Juni 2022, 12:30 Uhr vor. Die Führung ist kostenloser Bestandteil des Museumseintritts.

Augsburg – ein Uhrenzentrum

Im 17. Jahrhundert trafen in Augsburg unterschiedlichste Uhrenliebhaber aufeinander. Diese hatten auch einen massgeblichen Einfluss auf den Handel. So wurden neben dem offenen Verkauf durch die Handwerker Uhren von grossen Handelshäusern und Kaufleuten vertrieben. Auch Gold- und Silberschmiede vermittelten Aufträge.

Die langjährige Korrespondenz zwischen dem einflussreichen Auftraggeber Herzog August d. J. von Braunschweig-Wolfenbüttel (1579–1666) und dem Augsburger Vermittler von Kunstgegenständen Philipp    Hainhofer (1578–1647) gibt einen erkenntnisreichen Einblick in den damaligen Stellenwert von Uhren am Hof. Ebenso gibt sie Aufschluss über die Fertigung von Uhren und das handwerkliche Knowhow sowie die alltäglichen Gegebenheiten der Uhrmacherwerkstätten jener Zeit.

Der Uhrenkenner Herzog August d. J. bestellte über vierzig Halsuhren und über zwanzig Tisch- (oder Türmchen-)uhren. Bemerkenswert ist dabei, dass diese Kunstuhren für den täglichen Gebrauch und nicht für die Kunstkammer bestimmt waren. Wie Hainhofer in der erhaltenen Korrespondenz berichtet, suchte der Herzog 1630 für seinen Hof einen Uhrmacher. Dieser dürfe mit seinen neu gefertigten Uhren auch Handel betreiben. Besonders aufschlussreich sind in diesem Zusammenhang weitere Vermerke, die aufzeigen, dass ein Geselle jener Zeit sein Werkzeug aus dem eigenen Vermögen berappen musste, um damit in fremden Werkstätten zu arbeiten.

 

Samuel Haug (1580–1637)

Samuel Haug (auch Haugg oder Hauckh) erwarb 1612 die sogenannte «Schmiedgerechtigkeit», worauf-hin er als selbstständiger Uhrmacher in Augsburg arbeiten durfte. Laut Akten der Augsburger Schmiedezunft wurde Samuel Haug 1622 zusammen mit dem Uhrmacher Michael Klenck mit der Verwaltung des zunfteigenen Vermögens betraut.

Obwohl in der oben erwähnten Korrespondenz die Meister nur lückenhaft genannt werden – zumeist nur dann, wenn eine Uhr an den Uhrmachermeister zur Reparatur zurückgegeben werden musste –, gehörte Samuel Haug zweifelsfrei zu den Uhrmachern, die regelmässig Uhren an den Hof lieferten, war dieser auch noch so weit entfernt.

Samuel Haug fertigte zahlreiche Tischuhren und Figurenuhren an, aber auch eine türmchenförmige, astronomische Stutzuhr, die vermutlich zu seinem Meisterstück wurde. Er signierte seine Werke mit der Abkürzung «SA/HA» oder «SiHiA» sowie der Augsburger Wappenfigur Pyr, einer Art Pinienzapfen. Heute befinden sich viele seiner Uhren in privaten Sammlungen und bedeutenden Museen.

 

Zwei Augsburger Türmchenuhren

Das Uhrenmuseum Winterthur stellt zwei Türmchenuhren von Samuel Haug aus, von denen die kleinere von 1635 eine vergleichsweise konventionelle Uhr ist. Sie ist aber – wie alle Uhren von Haug – unvergleichlich fein ausgeführt. Einmalig ist hingegen die Uhr von 1620: Neben den auffällig reichen Verzierungen in den Gehäuse- und Sockelgravuren kann man diese nämlich auf den italienischen Stundenschlag 1 bis 6 respektive auf den üblichen Stundenschlag 1 bis 12 umschalten. Auf der Rückseite der Uhr befinden sich zwei Zeiger am Stunden-Schlagzifferblatt. Davon ist einer für den 12- Stundenschlag, der andere für den 6-Stundenschlag zuständig. Um den Stundenschlag umzuschalten, stellt man auf der linken Seite der Uhr, am separaten Stellzifferblatt, den kleinen Zeiger auf 6 oder 12. Ebenso aussergewöhnlich ist das Stundenschlagwerk, hat dieses doch zwei unterschiedliche Schlossscheiben. Die eine ist für die Schläge 1 bis 6 und die andere für die Schläge 1 bis 12 verantwortlich: eine bemerkenswerte technische Finesse!

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Brigitte Vinzens
Konservatorin Uhrenmuseum Winterthur

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