Das Zifferblatt mit Figuren
Anstelle von Zeigern befinden sich auf dieser Uhr Figuren, die um die Zifferringe wandern und auf diese Weise die Zeit anzeigen. Am äusseren Zifferring weist ein Engel mit Wanderstab die Stunden, am inneren Zifferring zeigt ein Wanderer mit Stab und Sack die Minuten. Der Hund rennt den Sekunden entlang, und mit ihm dreht sich der Heilige im Zentrum des Zifferblattes. Mit den gut sichtbaren Richtknöpfen können die Figuren gedreht werden, um die Zeit richtig einzustellen.
Die Legende des heiligen Rochus
Aufgrund der vom Uhrenbauer gewählten Figurenkombination kann man davon ausgehen, dass die Szene auf dem Zifferblatt die Geschichte des heiligen Rochus von Montpellier erzählt. Rochus wurde zur Zeit des Hundertjährigen Krieges geboren. Er wuchs in Montpellier auf und studierte dort Medizin. Als 1358 und 1361 Pestepidemien wüteten, verlor er beide Eltern. Er trat in den Orden der Franziskaner ein und begab sich auf eine Pilgerreise nach Rom, während der er immer wieder Pestkranke pflegte. Auf seiner Rückreise wurde Rochus selbst von der Seuche befallen. Er zog sich in eine Waldhütte zurück, um zu sterben. Doch der Hund eines Edelmannes brachte ihm, der Legende nach, täglich Brot. Schliesslich erschien ein Engel, der Rochus heilte und er konnte seine Pilgerfahrt fortsetzen. Nach seinem Tod wurde der heilige Rochus in Südeuropa und Deutschland als Schutzpatron der Pestkranken und der Haustiere verehrt.
Eine Pilgerfahrt durch die Zeit
Die Gestaltung der Uhr als Pilgerfahrt oder Wanderung durch die Zeit ist eine stimmige Idee des Uhrenbauers Paul Marx. Er hat das Thema mit viel Liebe zum Detail umgesetzt. Leider ist uns nur der Name dieses tüchtigen Uhrmachers bekannt und nur eine weitere Horizontal-Tischuhr von ihm ist erhalten geblieben. Sie befindet sich im Museum Ulm. Figuren, welche die Zeit anzeigen, sieht man vorwiegend auf Augsburger Tischuhren um 1680. Beispielsweise auf Uhren von Jacob Mayr, Jeremias Pfaff und Caspar Hoffmann. Oft findet man unter den Figuren einen Chronos (Gott der Zeit) oder ein Skelett mit Sense. Die Kombination von Figuren und konzentrischen Zifferringen, wie sie Paul Marx hier gebaut hat, scheint einzigartig zu sein.
Die Funktionen der Uhr
In den Jahren um 1750, als diese Uhr entstand, war eine Sekundenangabe noch nicht selbstverständlich. Statt einer Unruhe hat diese Tischuhr ein Pendel, welches einen für das 18. Jahrhundert relativ genauen Gang ermöglicht. Wegen des Pendels ist die Uhr höher als andere Tischuhren dieser Zeit. In der seitlichen Öffnung sieht man anhand einer sogenannten «Scheinpendelscheibe», ob die Uhr läuft. Auf der Seite mit der Öffnung und der Signatur «Paul Marx» befinden sich zwei Engel mit Glocken, die zum Viertelstunden- und Stundenschlag ihre Arme bewegen und so scheinbar auf die Glocken schlagen. Zu hören sind in der Tat zwei Glocken, die sich unter dem Werk der Tischuhr befinden. Der Schieber an der Frontseite lässt zwischen zwei Arten von Glockenschlag wählen.