24.04.2018 – 23.09.2018

Gastspiel: Zwei Laternenuhren aus der Normandie

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Gastspiel «Zwei Laternenuhren aus der Normandie», Frankreich, um 1820 und Ende 18. Jh., Leihgabe: Privatbesitz.
In Frankreich florierte im 17. und 18. Jahrhundert eine vielfältige Wanduhrenproduktion. In Zentren wie Paris entstanden vornehme und teure Zeitmesser wie die Pendulen, die auf kunstvolle Verzierungen gemäss der französischen Mode setzten. In ländlichen Gebieten verbreiteten sich dagegen die erschwinglichen Laternenuhren und Comtoiseuhren.

Brigitte Vinzens, Konservatorin des Uhrenmuseums Winterthur, stellt die aktuellen Gäste mit ihren individuellen Geschichten in der Reihe «Museum am Mittag» am Freitag, 18. Mai 2018, 12:30 Uhr vor. Die Führung ist kostenloser Bestandteil des Museumseintritts. Eine Anmeldung ist nicht nötig.

Uhren für Stadt und Land

In Frankreich florierte im 17. und 18. Jahrhundert eine vielfältige Wanduhrenproduktion. In Zentren wie Paris entstanden vornehme und teure Zeitmesser wie die Pendulen, die auf kunstvolle Verzierungen gemäss der französischen Mode setzten. In ländlichen Gebieten verbreiteten sich dagegen die erschwinglichen Laternenuhren und Comtoiseuhren.

Die Französische Laternenuhr entwickelte sich aus der eisernen Hausuhr und wurde auch von der englischen Uhrmacherei beeinflusst. Man unterschied die Typen «Citadine» (städtisch) und «Campagnarde» (ländlich), was sich vermutlich auf die Ausführung und den Preis bezog. Sie wurden in mehreren Regionen des Landes hergestellt.

Laternenuhren waren erschwingliche Fabrikate für das einfache Volk, wurden aber trotzdem in viel kleineren Stückzahlen produziert als die Comtoiseuhren. Die «Comtoise» hatte den Vorteil, dass sie acht Tage lief und nicht täglich aufgezogen werden musste. Sie trat ihren Siegeszug durch ganz Frankreich an, die französischen Laternenuhren aber blieben meist in den Regionen, in denen sie gefertigt wurden. 

 

Design und Technik der «Normandie»

Die Produktion der Laternenuhren hielt sich am längsten in der Normandie. Hier fertigte man sie noch bis ins späte 19. Jahrhundert. Der Typus «Normandie» hat normalerweise ein Gehwerk und ein Stundenschlagwerk mit Schlag auf eine Glocke. Die Werke sind hintereinander angeordnet. Charakteristisch für die typische Normandie ist das Zifferblatt: Anstelle eines Metall oder Email-Zifferblattes trägt sie eine Scheibe aus Fayence-Keramik. Heute sind nur wenige Normandies bekannt, die wie dieses Exemplar den Viertelstundenschlag auf zwei hohe Glocken und den Stundenschlag auf eine tiefere Glocke schlagen. Die Uhr ist aufwändig und trotzdem fein und sauber gearbeitet. Der Uhrmacher hatte sie wohl als «Citadine» konzipiert, als elegante Uhr für die städtisch-bürgerliche Kundschaft.

 

Die «Normandie» in der Zeit des Bürgerkönigs

Diese Uhr wird durch einen gepressten Aufsatz geschmückt, eine Besonderheit, die fast nur im Departement Calvados (Normandie) zu finden ist. Auf dem Aufsatz sehen wir eine Krone und zwei Löwen. Heute fehlen bei den meisten erhalten gebliebenen Uhren die Aufsätze. Möglicherweise entfernte man sie kurz nach ihrer Entstehung in den politisch turbulenten 1820er Jahren, die zur Julirevolution von 1830 und zur Einsetzung des «Bürgerkönigs» Louis-Philippe I führten. In dieser Zeit war Schmuckwerk mit Insignien von Königtum und Adel bei vielen Franzosen nicht beliebt. Viele private Sammler unterhalten ihre eigene Kollektion alter Grossuhren. In ihren Sammlungen finden sich klassische Modelle, die typische Normandie sucht man aber oft vergebens. Als einfache, ländliche Uhr geriet sie offenbar in Vergessenheit. Hier gibt es noch Potential für technische und historische Forschung.

Informationen für Medienschaffende

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Wir freuen uns über die Zusendung eines Belegexemplares oder eines Links mit Berichterstattungen über das Uhrenmuseum Winterthur.

Vielen Dank!

Brigitte Vinzens
Konservatorin Uhrenmuseum Winterthur

+41 (0)52 267 51 36 / 28