Eine aussergewöhnliche Eisenuhr
Anstelle eines für eiserne Wanduhren des 16. Jahrhunderts üblichen Zifferblattes mit nur einem Stundenzeiger fällt die sehr übersichtliche, kalendarische Anzeige innerhalb des normalen 12-Stunden-Zifferringes mit langem Stundenzeiger auf. Sie beinhaltet den Jahresring mit Monatsnamen und Monatszeiger sowie die Mondphase. Unter dem Zentrum befindet sich das kleine Sektorzifferblatt mit Zeiger für die sieben Wochentage. Wie bereits die Aufsätze verweist auch die Gestaltung der Mondphasenanzeige auf Strassburg als möglichen Herkunftsort. Die Mondphasen werden beim Mondphasenausschnitt durch die links und rechts angebrachten, halbkreisförmigen Bögen bewirkt. Kommt der Mond zum Vorschein, wird im linken Halbbogen das Symbol für zunehmenden Mond sichtbar. Der analoge Prozess verläuft auf der rechten Seite für den abnehmenden Mond.
Wer kommt als Schöpfer dieser Uhr in Frage?
Einige augenfällige Merkmale an dieser ungewöhnlichen Uhr aus der Sammlung des Musée d’art et d’histoire in Genf erwecken den Verdacht, dass sie von einem Uhrmacher der Familie Habrecht erschaffen wurde. Die Haus- und Türmchenuhren der Uhrmacher Habrecht haben gemeinhin geschlossene, mit Personen oder Allegorien bemalte Eisengehäuse und ähnliche astronomisch kalendarische Anzeigen. Auch die Wochentaganzeige hat Ähnlichkeiten mit Uhren der Habrechts. Sie befindet sich im unteren Bereich an derjenigen Stelle, wo normalerweise das kleine Viertelstundenzifferblatt mit Zeiger angebracht ist. Die Tage sind als figürliche Tagesregenten in sieben Sektoren dargestellt und ein Zeiger verweist auf den jeweiligen Tag. Aufgrund von Ähnlichkeiten mit Uhren aus Strassburg liegt die Vermutung nahe, dass ein bereits in Strassburg ansässiger Uhrmacher der Familie Habrecht der Erbauer dieser aussergewöhnlichen Uhr war. Gerade auch, weil die bedeutende Uhrmacherfamilie in Schaffhausen und in Strassburg bekannt war. Das berühmteste Werk der Uhrmacher Habrecht dürfte wohl die 1574 erbaute, zweite Strassburger Münsteruhr sein, bei dem Isaak und Josias Habrecht mitgewirkt hatten.
Zwischen Prunkuhren und Eisenuhren
Die von Grossuhrmachern respektive Schmieden hergestellten eisernen Hausuhren des 16. Jahrhunderts wurden für reiche Bürger allmählich erschwinglich. Mit diesen gemeinhin einfacheren, bereits zu den Hausuhren zählenden Uhren begann eine erste Verbreitung von Zeitmessern im Grossbürgertum. Diese Wand- oder Konsolenuhren hatten nur einen Stundenzeiger, daneben befand sich oben eine Mondphasenanzeige, die damals eine grosse Bedeutung hatte. Zur gleichen Zeit stellten Kleinuhrmacher unter strengen Zunftregeln Prunkuhren in Form von Tisch- und Türmchenuhren mit Federzug her. Diese befanden sich in von Goldschmieden oder auch von Graveuren hergestellten, feuervergoldeten Gehäusen, die teils mit vielen astronomischen und kalendarischen Indikationen versehen waren. Doch waren diese Uhren meist nur den Königshäusern und Höfen vorbehalten. Eine Ausnahme bilden vielleicht die astronomischen Eisenuhren der früheren Uhrmacher Habrecht. Von diesen Uhren sind heute nur noch wenige erhalten und sie könnten als Werke verstanden werden, die zwischen den Prunkuhren und den Eisenuhren angesiedelt werden können. Die späteren Mitglieder der Familie Habrecht fertigten auch Renaissance-Tisch- und Türmchenuhren. Sie waren also auch Kleinuhrmacher.
Die Modernisierung der Uhr
Wie viele Eisenuhren des 16. Jahrhunderts blieb auch diese Uhr ganz offensichtlich sehr lange in Betrieb, war doch im 17. und 18. Jahrhundert der Besitz einer eigenen Uhr noch immer ein grosses Privileg. Besass also jemand eine Uhr, modernisierte man nach der Erfindung des Pendels im Jahr 1656 deren Werke, indem man sie von Radunruhe auf Pendel umbaute. Das ursprüngliche Schlossscheibenschlagwerk wurde jedoch nicht geändert. Im 20. Jahrhundert baute man diese Uhren dann wieder auf Radunruhe zurück, weshalb man heute nur noch selten Pendel vorfindet, welche die Geschichte einer Eisenuhr belegen könnten.
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